Flüssigkeit läuft aus Kesselwaggon
Aus einem Kesselwagon tritt Flüssigkeit aus und läuft in das Gleisbett: Einsatzkräfte der Feuerwehren trainierten am „Ausbildungszug-Gefahrgut“ der Deutschen Bahn die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr.
Schirnding/Landkreis Tirschenreuth. (mde) An einer im Bundesland dieser Art einmaligen „rollenden Übungs- und Ausbildungseinrichtung“ der Deutschen Bahn (DB) Netz AG trainierten Feuerwehreinsatzkräfte am Bahnhof in Schirnding. Dort war für mehrere Tage der „Ausbildungszug Gefahrgut“ der „DB Netz AG“ stationiert. Neben den Floriansjünger der Feuerwehren des Landkreises Wunsiedel nahmen auch Einsatzkräfte der Feuerwehren Kemnath, Konnersreuth, Mitterteich, Waldershof und Wiesau, sowie Feuerwehrführungskräfte aus Landkreis Tirschenreuth an der besonderen Weiterbildung teil.
Über die im Gleisbereich herrschenden Gefahren, wie auch die Mengen an Gefahrgütern, welche jährlich auf den Schienen, Straßen und mit Schiffen transportiert werden, informierte Uwe Lindenberg von der DB Netz AG. „Betretet in jedem Falle erst dann den Gleiskörper, wenn eine schriftliche und gesicherte Bestätigung der Gleissperrung vorliegt“, betonte Lindenberg gegenüber den Einsatzkräften. „Der Bremsweg eines Güterzuges auf freier Strecke kann schon mal bis zu zwei Kilometer lang sein“, wusste er.
Im Besonderen wurden die Feuerwehrleute im theoretischen Teil der Schulung, welche in einem zum Schulungsraum umgebauten Personenwaggon stattfand, über die Kennzeichnung von Gefahrguttransporten und die Beschriftung von Kesselwaggons, das Erkennen von Gefahren, sowie die Gefahrstoffklassen unterwiesen. Auch auf die in Notfallsituationen wichtigen Papiere wie Fracht- und Transportunterlagen, sowie die Wagenliste und das Erkennen der Wagennummer ging der Ausbilder der Deutschen Bahn Netz AG ein. Nach Angaben der DB werden von den jährlich rund 307 Millionen Tonnen Gefahrgüter circa 75 Mio. Tonnen auf der Schiene transportiert.
Große Restmengen
Bei den Kesselwagen im Eisenbahnverkehr werde immer das gleiche Medium transportiert und die Kennzeichnung werde auch bei geleerten Waggons nicht abgenommen. Nicht täuschen sollen sich die Einsatzkräfte lassen, wenn auf den Frachtpapieren steht, dass der Kesselwagen „leer und ungereinigt“ ist. „Bei Flüssigkeiten sprechen wir von rund tausend Litern und bei Gasen um das komplette Fassungsvermögen des Kesselwaggons.“, erörterte Lindenberg den Feuerwehrleuten über mögliche, jedoch erhebliche „Restmengen“. Dennoch sei „der Transport von Gefahrgut auf der Schiene um ein Vielfaches sicherer“.
Über die Struktur im Notfallmanagement der Deutschen Bahn Netz AG ging der Fachmann weiter ein. Der Notfallmanager, welcher strukturiert in vielen Regionen angesiedelt ist, fungiere im Einsatzfall als „Fachberater Eisenbahn“. Dieser ist als Vertreter des Bahnbetriebes vor Ort, kenne die Besonderheiten und örtlichen Gegebenheiten des Streckenabschnittes, diene als Ansprechpartner und könne weiterführende Informationen einholen oder auch geben. „Die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, der Brandbekämpfung und dem technischen Hilfsdienst jedoch obliegen weiterhin der Feuerwehr“, betonte Lindenberg.
Lediglich an drei Standorten in Deutschland werden durch die Deutsche Bahn Netz AG als Infrastrukturbetreiber sogenannte „Unfallhilfswaggons“ vorgehalten, welche mit einem großen Kran ausgestattet sind. „Ihr seid im Ernstfall die Leute, welche als erstes vor Ort sind, Hand anlegen und wissen müssen, was ihr tun könnt und welche Gefahren lauern“, sagte der Ausbilder der DB Netz AG zu den Feuerwehrleuten.
Unterschiedliche Techniken / Anschlüsse, Ventile, Domdeckel
Der zweite Teil der Schulung fand am begehbaren Armaturenkesselwagen des Ausbildungszuges statt. Hier erklärte ein weiterer Mitarbeiter der DB Notfalltechnik die Arten und Typen von Kesselwaggons für den Transport. „Auch Schienenfahrzeuge sind gegen Wegrollen zu sichern“, betonte der Fachmann. Je nach dem zu transportierenden Medium unterscheide man die Armaturen zum Befüllen und Entladen, sowie die verbauten Sicherheitsventile und -einrichtungen. An dem Ausbildungs-Armaturenkesselwagen sind verschiedene Anschlüsse und Domdeckel verbaut, welche an Kesselwagen für flüssige, tiefgekühlte oder unter Druck verflüssigte Gase, flüssige Stoffe oder auch diverser Chemikalien, Säuren und Laugen verwendet werden.
Nicht nur die Arten, sondern auch die Funktionsweisen und Besonderheiten der etwaigen Armaturen, sowie das Verhalten bei entsprechender Fehlfunktion oder einer Undichtigkeit, wurden angesprochen. Besonders das weiträumige Absperren bei einem derartigen Unfall von Schienenfahrzeugen, sowie das richtige Erkunden und die korrekte Wahl der durchzuführenden Maßnahmen ist für den jeweiligen Einsatzfall von besonderer Bedeutung und entscheide über den Einsatzerfolg.
Holzkeile und Lanzen
Am Leckagekesselwagen trainierten die Feuerwehrler im dritten Teil der Schulung die praktischen Maßnahmen bei auslaufenden Flüssigkeiten. Um den Austritt aus den Leckagen situationsgerecht darzustellen, wurden die Risse und Löcher mit Wasser beaufschlagt. Hierbei übten die Kräfte der Feuerwehren das Auffangen und Umleiten von Flüssigkeiten in Behältnisse und Planen, sowie das Abdichten mit Holzkeile, speziellen Abdichtpasten und -bändern, sowie pneumatischen Leckdichtkissen in Verbindung mit Spanngurten, sowie aufblasbaren Leckdichlanzen.
Mitunter kamen dabei auch Gerätschaften aus dem kreiseigenen Gefahrgutanhängers, wie auch die Gerätschaften der teilnehmenden Feuerwehren zum Einsatz. Die Landkreisführungskräfte der Feuerwehren um ABC-Fachberater Klaus Helm, Gefahrgut-Fachberater Fritz Leicht nahmen ebenfalls an der Schulung teil und unterstützten die Feuerwehrleute aus dem Tirschenreuther Kreis mit ihrem Fachwissen. Besonderen Dank sprach Fritz Leicht dem Kreisbrandmeister für Gefahrgut im Landkreis Wunsiedel, Oliver Göschel, für die Organisation und Einladung zum Ausbildungzug Gefahrgut aus.
Bahnoberleitungen erden
Hinsichtlich der Gefahren durch Elektrizität bei Bahnstrecken mit Oberleitungen sei besonders die Einhaltung der entsprechenden Sicherheitsabstände erforderlich. „Auch nach der Abschaltung kann noch lebensgefährliche Restspannung vorhanden sein“, wusste Lindenberg. Das sogenannte „Bahnerden“ werde laut dem „Notfallmanagement Eisenbahnbetrieb“ durch den jeweiligen Notfallmanager sichergestellt. Jedoch können sich Feuerwehren entlang der Bahnstrecken mit entsprechenden Gerätschaften ausstatten und unterweisen lassen, um im Einsatzfall sicherer und schneller agieren zu können. Durch den Ausbau elektrifizierter Bahnstrecken wird das „Bahnerden“ in den nächsten Jahren wohl ein Thema für die Feuerwehren sein, um den Eigenschutz, sowie rasche Unfallhilfe gewährleisten zu können.
Deutschlandweit einmalig
Der „Ausbildungszug Gefahrgut“ ist ein in Deutschland einmaliges Projekt der „DB Netz AG“, welche die bundeseigenen Bahnstrecken und Gleisanlagen im Auftrag der DB betreibt und unterhält. Die rollende Ausbildungs- und Schulungseinrichtung „Ausbildungszug Gefahrgut“ werde den Feuerwehren, in deren Einsatzbereich eine Bahnstrecke verläuft, kostenlos zur Verfügung gestellt.
Unterstützungsgruppe Gefahrgut
Kommt es zu einem Gefahrstoffeinsatz im Landkreis Tirschenreuth, werden zusätzlich zu den örtlichen Einsatzkräften und den Feuerwehren mit entsprechender Ausrüstung die Fachberater des Kreisfeuerwehrverbandes alarmiert. Bestätigt sich im Einsatzverlauf ein Gefahrstoffeinsatz oder werden weitere Sondergeräte benötigt, werde über die Integrierte Leistelle auf Anforderung die „Dispogruppe Gefahrgut“ alarmiert. Diese bestehe aus einzelnen geschulten Einsatzkräften, sowie der Feuerwehr Mitterteich, welche mit dem kreiseigenen Gefahrgut-Anhänger anrückt.
Text: Michael Denz, Onetz.de
Fotos: Michael Denz